31. Oktober 2023, Lesezeit: 60 Minuten
Vorwort
In diesem Artikel möchte ich meine eigene Einstellung zur Sozionik erläutern und eigene Beobachtungen teilen. Auch wenn ich die Sozionik sehr faszinierend finde, möchte ich mich auch mit einigen Aspekten der Theorie kritisch auseinandersetzen. Persönlich ist es für mich wichtig, dass sich die Menschen zumindest Gedanken darüber machen, dass andere Personen die Realität von einer fundamental unterschiedlichen Perspektive sehen können, und dass die eigene Sichtweise auf die Welt nicht unbedingt für jeden anderen Menschen gelten oder nachvollziehbar sein muss. Ich denke, viele Menschen glauben oft, dass jede Person potenziell in der Lage sein sollte, die Welt genauso zu sehen wie man selbst. Es hat sich gesellschaftlich noch nicht etabliert, dass Menschen biologisch unterschiedliche Wahrnehmungsmöglichkeiten haben können. Zur gleichen Zeit bin ich mir aber dem größten Problem von Typologien bewusst, dem Mangel an objektiven Möglichkeiten zur Bestimmung eines jeweiligen Typs. Ein Hauptproblem der Sozionik besteht darin, dass der Großteil der Theorie auf begrenzten Beobachtungen einzelner Individuen basiert und viele Typbeschreibungen inklusive diesem Artikel auf anekdotischen Beweisen basieren. Die Sozionik ist, wie die meisten Typologien, keine wissenschaftliche Theorie, sondern eine Pseudowissenschaft, da es ihr an empirischen Beweisen, an Gültigkeit, Verlässlichkeit und Falsifizierbarkeit mangelt. Die Sozionik wurde nicht von unabhängigen Forschern getestet oder verifiziert und ihre Behauptungen sind oft vage, widersprüchlich oder nicht falsifizierbar. Zur gleichen Zeit macht dieser Aspekt die Theorie so interessant für mich, da ich mich sehr gerne mit Vermutungen und Spekulationen auseinandersetze. Selbst, wenn die Sozionik niemals als Wissenschaft etabliert wird, finde ich es zumindest wichtig, den Punkt der verschiedenen Perspektiven in das Gesellschaftsbewusstsein zu bringen und Menschen dafür zu sensibilisieren.
Persönlich bin ich nicht so sehr an den subjektiven Beschreibungen der Typen interessiert, sondern ich möchte verstehen, was ein Typ wirklich tun kann, welche Stärken die jeweiligen Soziotypen mitbringen, und wie man sie in konstruktiver Weise unterstützen kann. Zur gleichen Zeit besteht immer ein Risiko, dass Menschen stereotypisiert werden und ihr Verhalten anhand ihrer Funktionen und Aspekte gerechtfertigt oder rationalisiert werden. Sozionik kann auch die Selbstwahrnehmung und Erwartungen von Menschen negativ oder einschränkend beeinflussen, oder auch als potenzielles Mittel genutzt werden, um eine große Gruppe von Menschen zu kontrollieren oder zu unterdrücken. Ebenfalls geht eine gewisse Gefahr davon aus, dass die Wahrnehmung von Menschen, die mit der Theorie in Kontakt kommen, fundamental verändert wird.
Ich habe bei dem Aufbau meiner Webseite versucht, die theoretischen Aspekte so originalgetreu wie möglich zu halten, allerdings ist mir mit der Zeit aufgefallen, dass ich bereits eigene Aspekte in die Theorie integriert habe (wie zum Beispiel die Beschreibung der verschiedenen Funktionen) und es für konstruktiver halte, einen persönlichen Ort für meine Hypothesen zu haben. Meine Einstellung gegenüber der Sozionik hat sich im Laufe der Zeit geändert und ich bin nicht mehr wirklich von vielen Konzepten der Persönlichkeitstypologie überzeugt, obwohl ich an dieser Stelle erwähnen möchte, dass die 16 Typen in meinen Augen existieren, nur nicht in der Art, wie sie beschrieben werden. So habe ich mich innerlich immer mehr von den Archetypen distanziert, in der Kategorisierung der Typen nach bestimmten Urtypen. In der osteuropäischen Sozionik werden alle Soziotypen bestimmten historischen Personen zugeordnet, um den Typen ein gewisses Bild zur Veranschaulichung zu geben. Zwar haben manche Soziotypen mehrere Archetypen, im Allgemeinen haben sich allerdings bestimmte Personen als Beispiele etabliert:
Alpha
ILE – Don Quijote, SEI – Alexandre Dumas, ESE – Victor Hugo, LII – Maximilien Robespierre
Beta
EIE – Hamlet , LSI – Maxim Gorki , SLE – Georgi Schukow, IEI – Sergei Jessenin
Gamma
LIE – Jack London, ESI – Theodore Dreiser, SEE – Caesar, ILI – Honoré de Balzac
Delta
IEE – Aldous Huxley, SLI – Jean Gabin , LSE – Max Otto von Stierlitz, EII – Fjodor Dostojewski
Ich finde es interessant, dass viele der Archetypen entweder als Romancier kreativ waren, oder selbst einen fiktionalen Charakter darstellen. Aušra Augustinavičiūtė, die geistige Erfinderin der Sozionik, hat sich vermutlich sehr für klassische Literatur interessiert. Ich habe mich selbst einige Zeit mit den Biographien von vielen der Archetypen beschäftigt und würde so gut wie alle Beispiele einem einzigen Soziotypen zuordnen, nämlich IEI, der in der Sozionik als „Lyriker“ bezeichnet wird. Dies bezieht sich auf Dumas, Hugo, Gorki, London, Dreiser, Balzac, Huxley und Dostojewski. Das Konzept der Archetypen scheint mir mittlerweile als Teil der Theorie eher veraltet zu sein und ich würde den Sinn von Fantasiefiguren wie Don Quijote, Hamlet, oder Stierlitz als konstruktive Beispiele für echte Menschen eher in Frage stellen. Einige der Namen für die Soziotypen scheinen mir auch nicht ideal zu sein. So kann man einige IEI sicherlich als „Lyriker“ bezeichnen, aber nicht jeder Vertreter dieses Soziotyps wird ein Poet oder Schriftsteller sein. Ich halte es auch nicht für konstruktiv, den Soziotypen Berufe als Namen zu geben, wie zum Beispiel “Politiker” für SEE und “Unternehmer” für LIE. Ich denke, Berufe haben oft wenig mit der Denkweise einer Person zu tun.
Die 16 Soziotypen werden in der Sozionik in vier Quadren eingeteilt, die jeweils vier Typen zu einer Gruppe vereinen. Wenn man sich die Beschreibungen der jeweiligen Quadren durchliest, kommt man schnell zu dem Eindruck, dass sie jeweils politische Ansichten repräsentieren. So wird das Alpha-Quadra oft mit dem Anarchismus in Verbindung gebracht, Beta mit Kollektivismus wie dem Sozialismus oder Kommunismus, Gamma dem Kapitalismus/Individualismus und Delta dem Humanismus. In der Realität scheint mir dies eher nicht der Fall zu sein. Ich denke, dass Alpha und Delta wenig bis gar keinen Einfluss auf sozialpolitische Geschehen haben, da sie die Willenssensorik (extrovertierte Sensorik) nicht schätzen, also selten feste Überzeugungen haben, die sie anderen aufdrängen möchten, während die Soziotypen des Beta-Quadras oft von ideologischen Ansichten und starken Überzeugungen angetrieben werden, die von Person zu Person stark verschieden sein können. So können sie starke Verfechter des Kollektivismus oder Individualismus sein, also trotz eines identischen Typs gegenteilige Ansichten vertreten, aber was sie letztlich untereinander gemeinsam haben, sind ihre starken Überzeugungen.
Ein weiterer Aspekt der Sozionik, den ich als zweifelhaft wahrnehme, sind die Intertyp-Beziehungen, da man hier eine sehr hohe Anzahl an Variablen beachten muss. Die Sozionik geht von acht dualen Persönlichkeitspaaren aus, aber wenn man die Menschen beobachtet, fällt einem früher oder später die Absurdität einer solchen simplen Kategorisierung auf. So können Menschen zum Beispiel den gleichen Soziotyp haben, aber dennoch sehr verschieden sein. Ich denke Viktor Gulenko war sich dieser Besonderheit ebenso bewusst, da er das DCNH-System erschaffen hat, aber selbst mit den vier Subtypen hat man letztlich nur 64 Typen, auf dem Planeten leben zurzeit allerdings acht Milliarden Menschen. Es scheint mir eindeutig zu sein, dass es wahrscheinlich eine große Subtypen-Anzahl gibt, die meiner Ansicht nach mindestens im dreistelligen Bereich liegt. Ist also die Idee der Intertyp-Beziehungen inkorrekt? Das ist schwer zu beantworten. Ich denke, sie existieren auf einer abstrakten, hypothetischen Ebene. Ein weiteres Problem der Theorie ist, dass sie externe Aspekte außen vor lässt. Für den Erfolg einer langfristigen Beziehung sind sicherlich auch das subjektive Wertesystem, gemeinsame Ansichten und Vorstellungen vom Leben, psychologische Stabilität, emotionale Reife und die physische Attraktivität und Anziehung von entscheidender Bedeutung. Diese hohe Anzahl an Variabilität dürfte es fast unmöglich machen, über Persönlichkeitstests den richtigen Soziotyp und die ideale Beziehung zu bestimmen, insbesondere wenn man den sehr subjektiven Faktor der Menschen berücksichtigt, deren Testergebnisse oft stark von der Stimmung und eigenen, subjektiven Beurteilungen abhängig sind. Interessanterweise muss ich allerdings zugeben, dass ich mittlerweile einige duale Paare in meinem Leben kennengelernt habe, und viele von ihnen haben selbst nach jahrzehntelanger Beziehung immer noch einen sehr stabilen Bezug zueinander, also scheint sich zumindest ein Teil von Wahrheit in dem Konzept zu befinden.
Die Struktur der meisten Persönlichkeitstests zielt häufig auch auf die Identifikation der vier Dichotomien ab, die von Carl Jung vorgeschlagen wurden, aber es ist für mich fraglich, ob die jeweiligen vier Dichotomien sich überhaupt gegenseitig ausschließen. Wenn man zum Beispiel zu einem ethischen Soziotypen gehört, bedeutet es meiner Beobachtung nach nicht, dass die Person alle Entscheidungen auf rein emotionaler Basis trifft, sondern Emotionalität kann sich auch in einem starken Antrieb zeigen, die eigene Umgebung beeinflussen oder verändern zu wollen, oder in dem Bedürfnis, geliebten Menschen zu helfen, während man versucht, so viele Fakten wie möglich in Betracht zu ziehen. Objektive Kriterien findet man in der Sozionik und anderen Typologien leider selten. Statistisch signifikante Studien dürften schwierig zu erstellen sein. Einzig die visuelle Identifikation scheint einen Hauch von Potenzial in diesem Bereich zu haben, der mit künstlicher Intelligenz wahrscheinlich schnell umsetzbar wäre, allerdings müssten die Menschen richtig typisiert werden, und es herrscht oft wenig Einigkeit über die verschiedenen Typen. Menschen können auch oft die gleiche „Basisfunktion“ haben, aber sie vollkommen verschieden nutzen. Insgesamt finde ich es konstruktiver, Menschen eher nach ihren Interessen oder Überzeugungen zu gruppieren, als sie nur anhand ihres Typs zusammenzuführen.
Die acht kognitiven Funktionen
An dieser Stelle möchte ich meine eigenen Beobachtungen der Funktionen erläutern, die von Carl Jung, Aushra Augusta, Viktor Gulenko und der Sozionik definiert wurden. Vor allem möchte ich auf die intuitiven Funktionen eingehen, da sie mich besonders interessieren. Obwohl ich es zweifelhaft finde, dass die acht kognitiven Funktionen von Carl Jung in konkreter, messbarer Weise existieren, wie sie von ihm und anderen Personen beschrieben werden, denke ich, dass man doch einen gewissen konstruktiven Nutzen aus dem Wissen ihrer Existenz gewinnen kann. Bevor ich die jeweiligen Funktionen aus meiner Sicht beschreibe, möchte ich anmerken, dass jeder Typ eine variable Anzahl an funktionalen Stärken hat und sie sich von Person zu Person unterscheiden können, je nachdem, für welchen Fokus man sich entscheidet.
Die Soziotypen des Alpha Quadras fokussieren sich auf Ne, Si, Ti und Fe;
Beta auf Ni, Se, Ti, Fe;
Gamma auf Ni, Se, Fi, Te;
Delta auf die Funktionen Ne, Si, Te, Fi.
Jeder Persönlichkeitstyp in der Sozionik hat aber noch eine weitere Stärke, die allerdings nicht geschätzt wird, im Leben einer Person also nicht immer durchgehend anwendbar ist, aber eine hohe Aufmerksamkeit einnimmt. Für die Soziotypen sind dies:
LII und EII: Ni
EIE und LIE: Ne
LSE und ESE: Se
ESI und LSI: Si
ILI und SLI: Ti
ILE und SLE: Te
SEI und IEI: Fi
SEE und IEE: Fe
Ich glaube, Soziotypen können je nach Person verschiedene Fokussierungen innerhalb dieser 5 starken Funktionen haben. Ich möchte mich in diesem Artikel vor allem mit der Zeitintuition beschäftigen und ihre verschiedenen Aspekte erläutern, um eine Idee zu geben, wie hoch die Variabilität der Funktionen sein kann. Es ist die Funktion, mit der ich mich am meisten beschäftigt habe, die das meiste Interesse in mir weckt.
Die folgenden Beschreibungen sind nur meine eigenen Beobachtungen, für die ich keine Objektivität beanspruche. Ich denke, in der Psychologie wird es ohnehin immer ein Element der Subjektivität geben. Außerdem möchte ich anmerken, dass ich bestimmte Funktionen besser verstehe als andere. Es ist als Einzelperson letztlich unmöglich, hunderte Beispiele jedes Typs im Detail zu beobachten, insbesondere wenn man selbst introvertiert ist.
Intuitive Funktionen (Ni und Ne):
1. Die Zeitintuition, Ni
Zuerst möchte ich erwähnen, dass Viktor Gulenkos Einteilung der einzelnen Funktionen in Plus und Minus in meinen Augen eine sehr konstruktive Entdeckung ist. In diesem Artikel möchte ich mich vor allem mit Ni+ beschäftigen, der Intuition von IEI, die als hoffnungsvollen Blick in die Zukunft beschrieben wird. In der Tat ist IEI ein Positivist, er kann sich also nicht lange auf negative Aspekte fokussieren, sondern braucht immer einen optimistischen Blick und potenzielle positive Veränderungen in der Zukunft. Die Abwesenheit solcher Perspektiven kann diesen Soziotyp in die Verzweiflung stürzen. Die Intuition des Kritikers ILI (Ni-), funktioniert in die entgegengesetzte Richtung. ILI ist ein Negativist, dieser Soziotyp hat also immer einen Blick auf die Dinge, die nicht funktionieren werden, die man vermeiden sollte oder die zum Scheitern verurteilt sind. ILI fokussiert sich eher auf die Vermeidung von Fehlern oder sinnlosen Unternehmungen und beurteilt seine Umgebung unpersönlich, für IEI dagegen ist das Konzept der „Hoffnung“ von entscheidender Bedeutung.
In der Sozionik wird die Zeitintuition als Fähigkeit beschrieben, anhand von zeitlichen Informationen in der Vergangenheit und Gegenwart den Verlauf von Ereignissen in der Zukunft vorhersehen zu können. Auch wenn die Zeitintuition sehr weit in die Vergangenheit und Zukunft gehen kann, um bestimmte Dynamiken zu verstehen, denke ich, dass sie neben dieser Eigenschaft noch einen weiteren Aspekt hat, der bei diesen Soziotypen sehr oft zu beobachten ist. In meinen Augen ist die introvertierte Intuition ein detailorientiertes, akribisches und perfektionistisches Denken innerhalb eines Interessenbereiches, sowie eine vielfältige Palette aus visueller, literarischer, akustischer und darstellerischer Kreativität. Sie ist in vielen Fällen ein idealisiertes, visuelles Denken und die Fähigkeit, sich Informationen bildlich im Detail vorstellen zu können und strategisch danach zu planen.
Wenn die Zeitintuition sich einem Projekt widmet, wird sie sich mit allen Eventualitäten beschäftigen, zur Wurzel der Dinge gehen, jeden Winkel analysieren, selbst wenn dies repetitive Forschungsarbeit bedeutet. Für Ni ist ein tiefes Eindringen in komplexe Strukturen typisch, die je nach den Interessen einer Person sehr verschieden sein können. Diese Funktion kann so stark ins Detail gehen, weil sie tief in das Innere von Strukturen vordringen und die Essenz begreifen kann. Personen mit Ni nehmen das Leben anhand sich wiederholender Muster wahr, die ihnen dabei helfen können, bestimmte Geschehnisse vorherzusagen. Für intuitive Funktionen ist ein kreatives Element sehr wichtig, um motiviert zu agieren, daher ist es an dieser Stelle wichtig anzumerken, dass sich die exzessive Genauigkeit der Zeitintuition nur auf die Interessensfelder einer Person bezieht und sie sich in anderen Bereichen völlig nachlässig, unaufmerksam und unkonzentriert verhalten kann. In gewisser Weise ist diese Funktion paradox. In Bereichen, die für das Individuum interessant sind, wird er oder sie zu einem Experten werden, gleichzeitig aber in anderen Bereichen Meinungen vertreten, die ungenau sind oder nicht der Realität entsprechen können. Wenn ein Soziotyp mit Ni als Basisfunktion keine Interessen mit konkreten Zielen aufbaut, wird er oder sie ein passives Leben führen.
Die Tendenz der Zeitintuition, akribisch Informationen zu sammeln, macht sie zu einer sehr ideologischen Funktion. Wenn sich ein Soziotyp mit Ni detailliert über ein Thema informiert und eine Einstellung gebildet hat, wird es schwer werden, die Meinung der Person zu verändern. Sie führt zu einer starken Überzeugung vom eigenen, idealisierten Lebensweg. Hier kann man den Unterschied zur Möglichkeitsintuition beobachten, eine Funktion, die relativ leicht ihre Einstellung ändert und selten starke Überzeugungen hat. Ich denke, so gut wie alle komplexen und anspruchsvollen Strukturen werden mit der Zeitintuition geschaffen. Im Laufe der Zeit führt das detaillierte Denken von Ni aber zu einer Überbürokratisierung, da jede Eventualität abgedeckt werden muss.
Die introvertierte Intuition lernt am besten durch Wiederholung, durch das Perfektionieren verschiedener Prozesse und Abläufe. Solche Menschen finden im Idealfall schon in jungen Jahren ihre Berufung durch ihre familiäre Umgebung oder einen Mentor. Für solche Menschen ist es wichtig, eine kreative Neigung oder Stärke bereits früh zu identifizieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, aktiv und akribisch darauf hinzuarbeiten. Da die Zeitintuition mit der Willenssensorik gepaart ist, schätzen viele dieser Soziotypen ambitionierte Ziele oder komplexe, intensive Unternehmungen und sie achten sehr häufig auf die Referenzen, Qualifikationen und Erfolge der Personen in ihrem Interessenfeld. Anhand dieser Aspekte entscheiden sie, ob sie sich auf die Informationen einer Person verlassen wollen oder nicht. Menschen mit der Zeitintuition haben meiner Beobachtung nach eine ausgeprägte Tendenz, Dinge zu bewerten und zu katalogisieren oder Listen zum Vergleich zu erstellen. Sie kümmern sich um die Konservierung und Bewahrung existierender Informationen. Manche von ihnen eignen sich auch als gute Detektive, denen keine Details entgehen.
Für Ni ist es wichtig, zum Ausgangspunkt eines Problems oder Konzepts zu kommen, die Ursache zu ergründen, ein holistisches Verständnis zu erlangen. Diese Funktion interessiert sich nicht so sehr für das, was ist, sondern was sein könnte. Nicht selten sieht sie die Realität in Fragmenten, oder einer Art Domino-, Schneeball- oder Schmetterlingseffekts, mit einem sehr ausgeprägten Bewusstsein dafür, dass sich beliebig kleine Änderungen oder Probleme der Anfangsbedingungen eines Systems langfristig auf die Entwicklung und Perspektiven des Systems auswirken. Die Funktion liebt es daher auch, zu spekulieren und zu prognostizieren. Andere Tendenzen dieser Funktion, die besonders in der Basisfunktion von IEI auftreten, sind eine potenzielle Neigung zu außersinnlichen Wahrnehmungen oder außerweltlichen Konzepten wie Visionen, Prophezeiungen, Mystik, Wahrsagerei, Karma, Horoskope, Spiritualität, Esoterik, und der Reflektion über das Schicksal, des Glaubens, dass die eigene Existenz besondere Bedeutung hat, oder umgekehrt, eine aktive Neigung zur Philosophie, eine Reflektion über die eigene Rolle im Kosmos oder der Seele, der Motive anderer Menschen. Die Zeitintuition kann einer Person ein subjektives Bauchgefühl darüber vermitteln, wer bestimmte Menschen tief in ihrem Inneren wirklich sind. Diese Funktion führt zu einer häufigen Reflektion über die Intentionen anderer Menschen. Ich denke, sie war in der Geschichte für die Erschaffung verschiedener Religionen verantwortlich.
Ni ist in der Regel ein beunruhigter, ängstlicher oder auch innerlich angespannter Geisteszustand, selbst wenn die Person nach außen hin ruhig wirken kann. Ich vermute, dass diese Funktion in einem gewissen Zusammenhang mit bestimmten psychischen Störungen wie Bipolarität, Borderline und Schizophrenie steht, besonders, wenn die Person einen hohen Grad an Neurotizismus aufweist. In manchen Fällen kann die introvertierte Intuition getrennt vom körperlichen Zustand agieren und so zum Beispiel über die gesamte Realität oder über die eigene sexuelle Identität reflektieren. In einer stark fixierten Form führt sie vermutlich zu autistischen Tendenzen und Verhaltensmustern. Menschen dieser Typen entwickeln manchmal Obsessionen oder bilden eine Faszination für Verschwörungstheorien, ein Glaube, dass hinter dem Vorhang geheime Machenschaften oder Intrigen vor sich gehen, die für das bloße Auge nicht sichtbar sind. Da sich die Zeitintuition einem bestimmten Weg im Leben widmet, kann es diesen Menschen sehr schwer fallen, geistig von etwas loszulassen. Ni nimmt Situationen nicht selten als eine Ansammlung verschiedener Schichten wahr, die nach und nach seziert und gelöst werden müssen, um zur Wahrheit zu gelangen. Ich denke auch, dass Intelligenztests auf Basis eines Aspekts dieser Funktion aufgebaut sind, da sie oft bildliche Fragen mit Zeitabfolge („welches Bild folgt logisch auf das Nächste?“) beinhalten. Was die Gesellschaft als “Hochbegabung” definiert, ist wahrscheinlich eine ausgeprägte, spezifische Form der Zeitintuition.
Ni+, die Basisfunktion von IEI, dem Träumer und Visionär
An dieser Stelle möchte ich einen für mich sehr wichtigen Punkt anmerken: Ich habe mich den Großteil meines Lebens mit der Kunst und der Wissenschaft beschäftigt, von Musik, Film, Malerei, Fotografie, Architektur, Poesie, bis zu den Natur-, Literatur- Sprach- und Geisteswissenschaften. Ich habe mich ebenfalls mit den Feldern der Physik, Chemie und Mathematik beschäftigt. Ich würde mich in keinem dieser Bereiche als Experten bezeichnen und letztendlich beschäftige ich mich aus reiner, zielloser Neugier mit all diesen Dingen, aber es scheint mir recht offensichtlich zu sein, dass alle herausragenden wissenschaftlichen Entdeckungen und Innovationen, alle außergewöhnlichen künstlerischen Begabungen, das Resultat der Zeitintuition+ des Persönlichkeitstyps IEI sind. Ni+ ist in meinen Augen die abstrakteste der kognitiven Funktionen, die sich aktiv für neue Konzepte und Potenziale jeglicher Art interessiert. Ich denke, IEI ist der erste Soziotyp, der neue Innovationen oder Technologien ausprobiert. Dieses Streben nach Neuheit und der Drang zu experimentieren kann sich auf viele unterschiedliche Bereiche beziehen und ich möchte hier ein paar Beispiele aus der Wissenschaft und Kunst für meine Hypothese nennen:
- Die offensichtlichste Theorie, die in meinen Augen durch die Zeitintuition entdeckt wurde, ist wahrscheinlich die Evolutionstheorie, die Entwicklungs- und Veränderungsprozesse von Lebewesen im Laufe der Erdgeschichte beschreibt. Sie besagt, dass Arten durch natürliche Selektion und genetische Veränderungen im Laufe der Zeit entstanden sind. Die Evolutionstheorie postuliert, dass alle Lebewesen auf der Erde von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen. Im Laufe der Zeit haben sich diese Vorfahren in unterschiedliche Arten verzweigt, um die Vielfalt des Lebens zu schaffen, die wir heute beobachten.
- Die Relativitätstheorie in der Physik setzt sich mit der Struktur von Raum und Zeit auseinander. Sie beschreibt zum Beispiel die Relativität der Gleichzeitigkeit, das Ereignisse, die für einen Beobachter gleichzeitig erscheinen, für einen anderen Beobachter aufgrund der relativen Geschwindigkeit unterschiedlich zeitlich angeordnet sein können, oder die Idee der Zeitdilatation, die dazu führt, dass die Zeit für einen bewegten Beobachter langsamer im Vergleich zu einem ruhenden Beobachter vergeht.
- In der Archäologie ist es wichtig, den zeitlichen Kontext von Fundstücken und kulturellen Entwicklungen zu verstehen. Sie versucht, Fundstücke in eine chronologische Reihenfolge zu bringen und ermöglicht es, die Veränderungen in der materiellen Kultur und Lebensweise im Laufe der Zeit zu verfolgen. Dies hilft dabei, historische Entwicklungen und den kulturellen Wandel zu verfolgen. Das Verständnis des zeitlichen Kontext ist entscheidend, um Fundstücke und Fundstätten zu interpretieren. Es erlaubt Archäologen, Ereignisse und Entwicklungen in Bezug auf ihre historische Bedeutung zu analysieren. Archäologen vergleichen Funde aus verschiedenen Zeiträumen, um Muster und Unterschiede in der menschlichen Geschichte zu erkennen.
- Ein aktuell sehr relevantes Feld der Zeitintuition ist die Klimaforschung, deren Hauptziel es ist, die Vergangenheit zu rekonstruieren, gegenwärtige Veränderungen zu überwachen und anhand dieser Informationen zukünftige Entwicklungen und Prognosen der Erderwärmung vorherzusagen. Klimaforscher verwenden Modelle, um komplexe Wechselwirkungen im Klimasystem zu simulieren und zukünftige Klimaveränderungen zu prognostizieren. Die Zeitintuition gibt einer Person ein Bewusstsein dafür, dass viele Dinge direkt miteinander verbunden sind, dass z.B. unsere gesamte derzeitige Zivilisation von Maschinen und fossilen Brennstoffen abhängig ist. Diese Maschinen, die materielle Güter herstellen, Menschen transportieren, Lebensmittel ernten, Wohnungen beheizen, das Lesen dieses Artikels ermöglichen, werden durch Verbrennungsmotoren und Öl, Kohle und Gas betrieben und haben den Wohlstand und die Lebenserwartung der Menschen erhöht. Selbst die Art, wie Menschen romantische Beziehungen initiieren und führen, hat sich durch diese Dynamik fundamental verändert. Dies kommt allerdings mit einem Preis, da fossile Brennstoffe die Komposition der Atmosphäre verändern und den Treibhauseffekt erhöhen. Die Technologien, die Menschen derzeit im Alltag als selbstverständlich wahrnehmen, wurden in einer historisch gesehen sehr kurzen Zeitspanne erschaffen. Wenn also im Laufe der Zeit diese Maschinen durch Wetterextreme oder zerstörte Lieferketten nicht mehr betrieben oder Ressourcen nicht mehr zuverlässig verteilt werden können, wird sich das Leben der Menschen und internationale politische Strukturen fundamental verändern.
Ich möchte hier auch noch kurz auf vereinzelte Personen eingehen, die für mich die Zeitintuition sehr gut verkörpern:
- Ada Lovelace, die sich selbst als “poetische Wissenschaftlerin” gesehen hat, hatte eine visionäre Vorstellungskraft. Sie spekulierte über die Fähigkeiten von Computerprogrammen, in dem sie die Möglichkeit erörterte, dass sie eines Tages Musik komponieren und grafische Darstellungen erzeugen könnten. Ihre Visionen gingen weit über das hinaus, was zu ihrer Zeit technisch möglich war.
- Nikola Tesla war in der Lage, eine Erfindung mit äußerster Präzision in seinem Kopf zu visualisieren, bevor er mit der Konstruktionsphase fortfuhr. Er hatte häufige Rückblenden zu Ereignissen, die sich früher in seinem Leben ereigneten. Neben seiner Forschung hat er Gedichte und Schriften mit poetischen Elementen verfasst. Tesla war für sein elegantes Aussehen und seine gepflegte Erscheinung bekannt, aber es gibt auch Menschen, die völlig in ihrer Vorstellungskraft versinken und nur noch einen geringen Stellenwert auf die Realität und ihre Erscheinung legen.
- Ein solches Beispiel ist der Mathematiker Grigori Perelman, der 2002 einen Beweis für die Poincaré-Vermutung, eines der bedeutendsten ungelösten mathematischen Probleme, geliefert hat. Für diese Leistung sollte er die Fields-Medaille erhalten, die höchste Auszeichnung, die ein Mathematiker bekommen kann, sowie einen hohen Geldbetrag. Er hat sich allerdings dafür entschieden, diesen Preis abzulehnen und ein Leben in Abgeschiedenheit und Isolation zu leben. Ich denke, für viele Menschen mit einem ausgeprägten, abstrakten Vorstellungsvermögen ist es schwer, in der Gesellschaft zurechtzukommen oder überhaupt ein Interesse an der Realität zu entwickeln. Sie bevorzugen es in solchen Fällen, als Eremiten zu leben. International haben sich Begriffe wie Neets, Shut-ins oder Hikikomori etabliert, um dieses Phänomen zu beschreiben.
Künstlerische Themen werden in der Zeitintuition oft durch den Einsatz von Metaphern, Allegorien und Symbolik dargestellt. Die stark visuelle Komponente dieser Funktion gibt solchen Menschen ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen, und so können sie sich zum Beispiel in imaginären Rollen oder Szenarien verlieren, die nicht der Realität entsprechen, und eignen sich daher besonders als Schauspieler oder Unterhalter. Ihre Talente verfeinern Menschen mit der Zeitintuition durch ständige Übung und Praxis. Für die unterschiedlichen künstlerischen Bereiche möchte ich ebenfalls einige Beispiele nennen, die einen starken Einfluss in ihrem jeweiligen Feld hinterlassen haben und von besonderer Bedeutung sind:
- In dem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ zeigt Stanley Kubrick visuell den gesamten Bogen des menschlichen Lebens und setzt sich mit Konzepten wie der menschlichen Evolution und künstlicher Intelligenz auseinander. Der Film beginnt mit den Anfängen der Menschheit und endet mit einer futuristischen Vision im Weltraum. Ein geheimnisvoller Monolith beeinflusst im Film mehrmals die menschliche Entwicklung und der Protagonist des Films erreicht zum Ende eine Transzendenz auf eine höhere Bewusstseinsstufe. Ein weiterer wichtiger Film ist “Der Spiegel” von Andrei Tarkowski, ein zutiefst persönliches Werk, das Erinnerungen, Träume und Reflexionen aus verschiedenen Phasen im Leben des Regisseurs miteinander verbindet. Durch eine Reihe visuell beeindruckender Sequenzen wird die emotionale Reise des Protagonisten und die kollektive Erfahrung einer ganzen Generation dargestellt. Ich denke, dass Ni+ mit einer idealisierten Wahrnehmung von Erinnerungen, die immer und immer wieder im eigenen Verstand durchgespielt werden, und mit einem sentimentalen Blick auf die Vergangenheit verbunden ist.
- Das Album „Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd reflektiert über Leben und Tod und wie Menschen im Allgemeinen nicht schätzen, was sie haben, und sich in materialistischen Idealen verfangen. In dem Zentrumsstück des Albums, dem Song „Time“, geht es um die Art und Weise, wie Zeit den Lauf des Leben eines Menschen bestimmen kann. Der Song dreht sich um die Flüchtigkeit der eigenen Existenz und wie Menschen auf den richtigen Zeitraum warten, bevor sie ihr echtes Leben beginnen. Es ist eine eindringliche Warnung für diejenigen, die sich weiterhin auf alltägliche Dinge konzentrieren. David Bowies Album “Blackstar”, das zwei Tage vor seinem Tod veröffentlicht wurde, enthält viele metaphysische und symbolische Elemente, die auf das Vergehen der Zeit und die Endlichkeit des Lebens hinweisen. Viele seiner Songtexte und künstlerischen Entscheidungen auf dem Album wurden im Nachhinein als Anspielungen auf seine eigene Sterblichkeit interpretiert. In dem Song “Epitaph” von King Crimson aus dem Album “In the Court of the Crimson King” thematisiert die Band eine düstere Version der Menschheit und der Gesellschaft, die von Konflikten, Gewalt und einem drohenden Untergang geprägt ist. Trotz der düsteren Stimmung drückt der Song auch eine Sehnsucht und Hoffnung nach einem besseren Zustand und einem neuen Anfang aus.
- In Fjodor Dostojewskis Kurzgeschichte „Weiße Nächte” (oder auch “Vier Nächte eines Träumers“), einer introspektiven und psychologisch komplexen Erzählung, geht es um einen jungen Mann, der mit den Problemen der Gesellschaft und sich selbst ringt. Die Geschichte erkundet existenzielle Themen wie Isolation, Einsamkeit, den Sinn des Lebens und die Unfähigkeit, in der modernen Gesellschaft einen Platz zu finden. “Der Prozess” von Franz Kafka ist von einem diffusen Zeitgefühl durchzogen. Die Zeitspanne, die in dem Roman vergeht, wird zu einer metaphorischen Darstellung der Bürokratie, des Verlusts der individuellen Kontrolle und des Kampfes eines Einzelnen gegen die undurchsichtigen Mächte der Gesellschaft. In dem Roman “Das Bildnis des Dorian Gray” schließt der Protagonist Dorian eine Art „Pakt“ ab, bei dem er wünscht, dass ein Porträt an seiner Stelle altert und alle Spuren seiner Sünden trägt, während er selbst unberührt bleibt. Dadurch kann er ein Leben der Freude, Lust und Dekadenz führen, ohne äußerliche Konsequenzen zu erfahren. Im Laufe der Geschichte verliert Dorian jedoch nach und nach jegliche moralische Hemmungen und wird zu einem rücksichtslosen und unmoralischen Mann. Sein Porträt hingegen wird immer hässlicher und zeigt die Auswirkungen seines destruktiven Verhaltens. Die Geschichte erkundet die Ideen von Dualität, Identität und dem inneren Konflikt zwischen Äußerlichkeiten und dem wahren Selbst. Andere Schriftsteller erfinden eigene Fantasiewelten und imaginäre Szenarien, wie sie oft in der Sci-Fi- oder Fantasy-Literatur zu finden sind.
- Sigmund Freuds „Traumdeutungen“ setzt sich mit dem Unbewussten auseinander und stellt die These auf, dass Träume Einblicke in verdrängte Wünsche, Ängste und Konflikte geben können, das sie durch einen Prozess der Verschlüsselung entstehen, wodurch verdrängte oder bedrohliche Gedanken und Wünsche vor dem Bewusstsein verborgen bleiben. Das „Rote Buch“ von Carl Jung, das zahlreiche Gedichte, Illustrationen und künstlerische Darstellungen enthält, ist eine Art von persönlichem Tagebuch, in dem Jung seine Träume, Visionen und Selbstreflexionen aufzeichnet. Die Sozionik, die von Aušra Augustinavičiūtė entwickelt wurde, baut auf dem Konzept der Intertyp-Beziehungen auf, das versucht, den Verlauf von Beziehungen im Laufe der Zeit zu beschreiben.
Ich denke, solche ausgeprägten Manifestationen von Ni+ sind (in Bezug auf die Wissenschaft und Kunst) allerdings selten und Ni+ kann sich grundsätzlich in jedem Bereich zeigen, der Organisation oder Planung, sowie ein zeitliches Verständnis erfordert, von der Geschichte, dem Design, Journalismus, Ökonomie, dem Ingenieurwesen, Mode, bis hin zu geopolitischen Analysen, dem Lernen von visuellen Schriftzeichen (Schreibsysteme mit komplexen Schriftzeichen wie z.B. Japanische Kanji, Ägyptische Hieroglyphen, Brailleschrift, Stenographie u. v. m.), oder die Kontemplation über verschiedene ethische und soziale Konstrukte, sowie den Leistungssport. Im Gegensatz zur etablierten Meinung, dass herausragende Athleten die Willenssensorik als Basisfunktion haben, denke ich, dass die Zeitintuition die größte Rolle für sportliche Erfolge spielt, da sehr erfolgreiche Sportler in der Regel schon in der Kindheit mit dem Training beginnen und ihre Fähigkeiten durch wiederholende Prozesse und langfristige Planung perfektionieren. Es sind Menschen, die ihr ganzes Leben lang akribisch auf Erfolge hinarbeiten und viele soziale Entbehrungen auf sich nehmen, um sich einen Kindheitstraum zu erfüllen, unabhängig davon, welche Sportart die Person verfolgt. Das Buch “Die Kunst des Krieges” von Sunzi, das ursprünglich für militärische Zwecke geschrieben wurde, dessen Konzepte aber auch in anderen Bereichen wie im Sport anwendbar sind, behandelt die Kunst der Kriegsführung und enthält Prinzipien, die auf viele Bereiche des Lebens und der Strategie angewendet werden können. Es konzentriert sich auf Themen wie Taktik, Strategie, Diplomatie und die Bedeutung der Anpassung an verschiedene Situationen. Sunzi betont die Bedeutung von Planung, Flexibilität und das Verständnis des Gegners, um in Konflikten erfolgreich zu sein. Typologien fokussieren sich meiner Meinung nach zu sehr auf Typenbeschreibungen oder persönliche Charaktereigenschaften und der Fokus sollte mehr darauf liegen, übergreifende Gemeinsamkeiten zu finden, wie zum Beispiel die Tatsache, dass Menschen mit der Zeitintuition ein detailorientiertes und strategisches Denken besitzen, unabhängig davon, ob die Person sich für technische Maschinen oder die emotionalen Geschehnisse der Umgebung interessiert oder positive oder negative Charakterzüge hat. Das Denken in der Zeitintuition findet oft in einer Dualität statt, in der über viele Möglichkeiten und entgegengesetzte Perspektiven reflektiert wird. Sie sind geborene Erfinder oder Lehrer, die anderen Menschen eine Vielzahl von theoretischem Wissen vermitteln können. Eine verbreitete Charakteristik von Menschen dieses Typs ist das Anlegen von Sammlungen und Listen, sowie das Ausbreiten eines spezifischen Hobbies auf viele umliegende Bereiche. Sie neigen auch dazu, exotische Dinge interessant zu finden.
Die Zeitintuition legt sich im Laufe ihres Lebens auf eine Richtung fest, die sie verfolgen möchte, was bedeutet, dass sie eher zu Experten werden oder Ziele erreichen, aber es bedeutet auch, dass sie sich auf einen bestimmten Weg festlegen können, der für die Gesellschaft verwirrend oder falsch erscheint, oder den gegebenen Umständen nicht mehr entsprechen. Für Menschen mit Ni ist es fast unmöglich, auf eine Alternative zu wechseln, wenn sich sich auf einen Weg festgelegt haben, da sie eine unterdrückte Möglichkeitsintuition (Ne) haben, die ich weiter unten beschreiben möchte. Ebenfalls denke ich, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen, die Videos von sich auf Internetplattformen hochladen oder im Fernsehen zu sehen sind, sowie die meisten Personen des öffentlichen Lebens zu dem Soziotyp IEI gehören. “Memes”, ein weit verbreitetes Internet-Phänomen, entstehen aus meiner Sicht durch die Zeitintuition. Ich denke, IEI ist auch der Persönlichkeitstyp, den man in Großstädten und Ballungszentren besonders häufig antrifft. Es ist der Persönlichkeitstyp, der sich tendenziell am meisten für das Konzept der Typologien wie die Sozionik zu interessieren scheint. Der Soziotyp IEI hat wahrscheinlich den größten Einfluss auf die Dynamiken der westlichen Welt in den letzten einhundert Jahren gehabt, da das Leben der Menschen immer mehr von physischer, konkreter Arbeit auf die strategische Bedienung von Computern und Maschinen, sowie der Unterhaltung der Menschen gewechselt ist.
Ich hoffe, all diese Informationen geben einen guten Überblick darüber, wie diese Funktion funktioniert und wie verschieden Menschen trotz ihres identischen Persönlichkeitstyps in der Sozionik sein können, auf der anderen Seite haben all diese Menschen die Gemeinsamkeit, dass sie versuchen, sich kreativ in der Welt zu verwirklichen. Ich möchte die Menschen dafür sensibilisieren, dass es eine sehr hohe Anzahl an Variabilität zwischen Menschen eines identischen Typs gibt. Da jede Funktion eine große Anzahl an potentiellen Stärken vorzuweisen hat, scheint es mir nur logisch, wenn eine schwache Funktion auch zu verschiedenen Schwächen führt. Im Falle der Zeitintuition scheint dies mit einer Unfähigkeit einherzugehen, den Dingen einfach ihren Lauf nehmen zu lassen, wenn kein Eingreifen nötig ist, oder eine mangelnde Fähigkeit, komplexe, langfristige Pläne zu erstellen, mit denen man potenziellen Gefahren ausweicht. Es führt zu einem Geisteszustand, in dem man hauptsächlich in der Gegenwart lebt und die Dinge so nimmt, wie sie kommen, anstatt sich schon vorsorglich darauf vorzubereiten.
Ein anschauliches Beispiel für die Zeitintution ist meiner Meinung nach das Schachspiel, in dem alle Figuren einem spezifischen Rang in der Gesellschaft entsprechen und das Spiel mit dem detaillierten Auswendiglernen von Eröffnungen und Strategien geübt wird, in dem vorausschauendes, taktisches Geschick zum Sieg führt. Ni koordiniert strategisch die Geschehnisse seines Interessensbereiches. Solche Aspekte spielen bei der Möglichkeitsintuition (Ne), zu der ich jetzt kommen möchte, eine geringere Rolle.
2. Die Möglichkeitsintuition, Ne
Da ich mich selbst als Mensch sehe, der einen Fokus auf die extrovertierte Intuition hat, habe ich persönlich festgestellt, dass die Definition der Möglichkeitsintuition in der Sozionik vermutlich nicht ganz richtig ist. Das Konzept der Sozionik baut auf der Quadra-Progression auf, die Hypothese, dass Alpha neue Ideen entwickelt oder erfindet, und die anderen Quadren diese umsetzen. Aušra Augustinavičiūtė hat sich selbst als ILE gesehen, als Persönlichkeitstyp, der in der Sozionik als “Entdeckerin” bezeichnet wird. Die Struktur der Sozionik macht diese Selbsteinschätzung jedoch fragwürdig, da es eine introspektive Theorie ist, die sich mit dem zeitlichen Verlauf (Ni) von zwischenmenschlichen Dynamiken auseinandersetzt (Fi und Fe). Carl Jung hat sich selbst als introvertierten Logiker gesehen, obwohl sein rotes Buch viele abstrakte, esoterische Zeichnungen von seinen Träumen beinhaltet und seine Einsichten unter anderem aus Beobachtungen in der Paartherapie gewonnen wurden, also aus der Analyse von zwischenmenschlichen Dynamiken, die für Logiker eine viel geringere Rolle spielen. Die Definition der Möglichkeitsintution in der Sozionik erscheint mir eher als eine weitere Definition der Intuition der Zeit. Vielleicht wäre es besser, die extrovertierte Intuition als “Intuition der Flexibilität” zu bezeichnen. Ich vermute, Aushra Augusta war selbst ein IEI, wie Carl Jung und Sigmund Freud, und ich halte es für wahrscheinlich, dass die extrovertierte Intuition in den verschiedenen Typologien nicht gut beschrieben wird, da die Psychologie eher ein Feld ist, in dem diese Funktion eine geringe Rolle spielt. In ihrer Definition der Möglichkeitsintuition schreibt Aušra Augustinavičiūtė:
Diese Person mag es, anderen sein Verständnis der Dinge zu erklären. Unter günstigen Bedingungen wird diese Person ein Wissenschaftler oder Schriftsteller. Er oder sie kann optimale Wege finden, um die potenzielle Energie von Objekten zu erhöhen.
Aus meiner Perspektive ist es eher so, dass sich die Möglichkeitsintuition sehr wenig für konkrete Ziele oder Abschlüsse interessiert. Diese Intuition ist wie die Neugier eines Kindes, eine Art zielloses Denken, das hauptsächlich der eigenen Laune und Unterhaltung folgt und zu einer großen Zerstreutheit und Vergesslichkeit führen kann. Ne ist ein Geisteszustand, der einen ständigen Strom abwechslungsreicher Informationen benötigt, der sich im Gegensatz zu Ni nicht mit Details und Wiederholungen beschäftigen möchte und schnell zwischen verschiedenen Interessen wechselt, die keinen Bezug zueinander haben können. Aušra Augustinavičiūtės Kommentar über Energie erscheint mir auch aus einer Perspektive einer Person geschrieben worden zu sein, die einen Fokus auf die Willenssensorik hat.
Ich möchte an dieser Stelle auf einen wichtigen Punkt aufmerksam machen: Die beiden Funktionen einer Dichotomie, wie z.B. Ne und Ni für die “Intuition”, stehen in Opposition zueinander. Die extrovertierte Intuition ist darauf fokussiert, schnelle und flexible Entscheidungen in der Gegenwart (während der Interaktion mit Objekten) zu treffen, ohne notwendigerweise ein volles Verständnis einer Situation zu haben, während die introvertierte Intuition einen detaillierten Fokus entwickelt und den Blick auf die Vergangenheit und die Zukunft hat. In diesem Sinne können Menschen mit der extrovertierten Intuition bewusst darauf verzichten, sich mit einer Sache akribisch auseinanderzusetzen, um die Möglichkeit zu haben, flexibel in der Situation manövrieren zu können, oder die Dinge einfach so zu nehmen, wie sie kommen. Für Menschen mit der extrovertierten Intuition liegt der Hauptfokus darauf, etwas zu finden, was einfach interessant für sie ist, ohne unbedingt konkrete Ziele zu verfolgen. Sie können wichtige Punkte in einer Fülle von Informationen schnell erfassen und die Hauptpunkte begreifen, während Menschen mit der Zeitintuition Dinge oft gründlich und im Detail durchlesen, um ein volles Verständnis zu erlangen. Die Stärke der Möglichkeitsintuition ist die Fähigkeit, anhand von wenigen Informationen ein generelles Verständnis eines Problems zu entwickeln und völlig verschiedene Themen miteinander kombinieren zu können. Vieles wird für diese Person als vage wahrgenommen. Zwei Parteien, Überzeugungen oder Ideologien, die im kompletten Gegensatz zueinander stehen, können für die extrovertierte Intuition gleichzeitig berechtigt sein.
In diesem Sinne steht diese Funktion nicht für starke ideologische Überzeugungen, sondern für eine generelle Offenheit gegenüber den meisten Perspektiven, ohne sich jemals selbst festzulegen. Dies führt dazu, dass diese Funktion keine komplexen, konkreten Strukturen in der Gesellschaft erschaffen kann. Für Ne ist es schwierig, sich auf die unmittelbare, konkrete Realität zu konzentrieren. Ihre Gedanken schweifen unwillkürlich auf zusammenhanglose Informationen, die nichts mit einer aktuellen Aufgabe zu tun haben können. Auf der anderen Seite fällt es dieser Funktion viel leichter, einen eingeschlagenen Weg aufzugeben und auf eine Alternative zu wechseln. Wenn etwas nicht funktioniert, ist es Ne egal, es wechselt einfach zu etwas anderem, da es keinen konkreten Plan folgen muss. Menschen mit der extrovertierten Intuition sind keine Fanatiker oder Fundamentalisten. Sie haben keinen festgelegten Plan dafür, wie ihr Leben in der Zukunft aussehen soll. Strategische Vorbereitung ist uninteressant für die extrovertierte Intuition. Die Vergangenheit und die Zukunft spielen eine viel geringere Rolle. Sie interessiert sich wenig für Erfolge in der Vergangenheit oder das Schwelgen in Erinnerungen, wie es bei der Zeitintuition der Fall ist. Ne arbeitet nicht mit Erinnerungen, sondern bewertet flexibel das, was ist.
Da die Möglichkeitsintuition Ne mit der Empfindungssensorik Si gepaart ist, haben Menschen mit dieser Funktion einen Fokus auf ein angenehmes und komfortables Leben, ohne ein großes Interesse am Wettbewerb über Einfluss und Status zu haben, oder eine große Menge an Ressourcen zu benötigen. Diese Funktion interessiert sich wenig für Konzepte wie Prestige, Referenzen oder die eigene soziale Stellung. Ne hat ein Desinteresse an Statussymbolen oder an Titeln, die auf eine spezifische Position in der Gesellschaft hindeuten. Es ist unwahrscheinlich, dass viele berühmte Wissenschaftler, Künstler oder Personen mit einer hohen Stellung im öffentlichen Leben zu diesen Soziotypen gehören. Sie eignen sich weniger als Trainer für detaillierte Instruktionen, da repetitive Prozesse, wie das wiederholte Einstudieren von identischen Informationen, diese Menschen stark langweilt. Ne ist keine detailorientierte Funktion und kein perfektionistisches Denken. Sie ist ein nicht materieller Geisteszustand, der sich mit vielen Ideen und Interessensfeldern auseinandersetzt, ohne konkreten, pragmatischen Nutzen zu verfolgen. Sie ist eine schnelle Auffassungsgabe, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Es ist ausreichend für diese Funktion, einen groben Überblick über eine Situation oder Aufgabe zu haben und den Rest zu improvisieren oder flexibel zu manövrieren. Für diese Intuition ist es ideal, wenn man viele verschiedene Themen frei und unpragmatisch erkunden kann, ohne stark in die Tiefe gehen zu müssen. Sie braucht ein hohes Maß an Freiheit und Abwechslung und sollte nicht gezwungen werden, sich dauerhaft mit der gleichen Sache zu beschäftigen.
Als nächstes möchte ich auf die sensorischen Funktionen eingehen, die Willenssensorik Se, und die Empfindungssensorik Si. Es ist hier wichtig zu berücksichtigen, dass die Zeitintuition immer mit der Willenssensorik gepaart ist, und diese Soziotypen zu den zentralen Quadren Beta und Gamma gehören, während Soziotypen mit der Möglichkeitsintuition mit der Empfindungssensorik gepaart sind und zum Alpha- und Delta-Quadra gehören, die in der Sozionik als peripher bezeichnet werden, also einen geringeren Einfluss das gesellschaftliche System haben. In diesem Sinne ist die extrovertierte Intuition nicht daran interessiert, die Gesellschaft organisatorisch zu verändern, sondern sie manövriert in existierenden Systemen, die von den acht zentralen Soziotypen geschaffen werden. Die Möglichkeitsintuition hat Schwierigkeiten, in stark kompetitiven Umgebungen zu arbeiten und zu interagieren, in denen eine konstante Überwachung von Prozessen notwendig ist. Eine schwache extrovertierte Intuition führt zu der Unfähigkeit, ideologische Überzeugungen aufzugeben. Solche Menschen zeigen eine mangelnde Flexibilität und können ihren Kurs nicht mehr einfach ändern, wenn sie sich einer Überzeugung verpflichtet haben. Sie legen viel Wert darauf, wie Worte gesagt werden und haben eine formelle Wahrnehmung der Welt, in der Aussagen sehr genau definiert werden müssen.
Sensorische Funktionen (Se und Si):
3. Die Willenssensorik, Se
Se ist die konstante, konkrete Wahrnehmung der objektiven, materiellen Realität. Diese Funktion hat ein ausgeprägtes Bewusstsein für die unmittelbare Außenwelt und ist eine ständige Fokussierung auf objektive Informationen, die in der Umgebung stattfinden. Sie führt zu einem entschlossenem Handeln in der Gegenwart und ist mit der Fähigkeit verbunden, seinen Willen durchzusetzen und Kraft auf Objekte und Menschen auszuüben, mit dem Ziel, sie im Raum zu bewegen. Se ist eine ausgeprägte physische Kontrolle über den eigenen Körper. Ein charakteristisches Zeichen für Menschen mit dieser Funktion ist eine stabile und direkte Präsenz in der Welt, mit einer konkreten und zielgerichteten Interaktion mit Objekten, Ressourcen und Menschen. Diese Soziotypen neigen nicht dazu, ihre eigenen Einstellungen zu hinterfragen und äußern diese mit Überzeugung und Direktheit. Im Zustand der Willenssensorik gibt es keine widersprüchlichen Meinungen oder vage Interpretationen. Menschen mit der Willenssensorik als Basisfunktion haben fast immer den Eindruck, dass sofortige Maßnahmen ergriffen werden müssen, um etwas zu erreichen.
Die Willenssensorik hat ein gutes Auge für greifbare Charakteristiken der Menschen und physische Besonderheiten, die objektiv beurteilt werden können, wie zum Beispiel die Körpergröße und Körpersprache und den Effekt und die Präsenz, die diese Eigenschaften eines Individuums auf die Umgebung haben. Sie beurteilt Attraktivität aus einer externen Perspektive, so kann die Ausgeprägtheit und Entwicklung verschiedener Muskelpartien oder die Anatomie eines Körpers im Detail wahrgenommen und beurteilt werden. Sie reflektiert stark über den Status, die verschiedene Personen in der Gesellschaft haben, so können Titel, Referenzen und ein angesehener Posten eine hohe Rolle bei der Beurteilung einer Person spielen. Sie achtet sehr genau auf Konzepte wie Respekt und beurteilt potenzielle Führungsfähigkeiten oder praktische Erfahrungen verschiedener Individuen anhand externer Informationen. Die Willenssensorik mag es sehr, komplexe, ehrgeizige Probleme zu lösen und sich selbst herauszufordern.
Die extrovertierte Sensorik ist in der Regel in einem ständigen Bereitschaftszustand und beschäftigt sich nur gelegentlich mit Komfort oder Entspannung, da sie einen ausgeprägten Blick für physische Gefahren in der Umgebung hat. Se nimmt zum Beispiel eine bedrohliche Körpersprache wahr, oder ob Menschen in einem konzentrierten Bereitschaftszustand sind. Für diese Menschen ist es schwierig, ein gemütliches und vorhersehbares Leben ohne Aufregung und Erlebnisse zu führen. Früher oder später wird das Verlangen nach der Überwindung einer schwierigen Herausforderung zu groß sein. Für die Willenssensorik ist ein Verlangen nach Wettkampf essentiell und Wettbewerbselemente sind mit dieser Funktion immer vorhanden. Dies kann viele Elemente beinhalten, die nicht nur sportlicher oder sozialer Natur sein müssen; so können auch kompetitive Videospiele ebenfalls interessant für diese Funktion sein. Se steht in meinen Augen stark mit Ehrgeiz im Zusammenhang. Die Konkurrenz zu schlagen, das Gewinnen eines taktischen Spiels, das Erobern eines Sexualpartners, das Hinterlassen eines Vermächtnisses, Beharrlichkeit, diese Aspekte sind Menschen mit der Willenssensorik sehr wichtig, um ein erfülltes Leben zu führen. Soziotypen, die die extrovertierte Sensorik schätzen, erhalten einen stärkeren psychologischen Auftrieb, wenn sie Hindernisse jeglicher Art überwinden. Besonderes Interesse zeigt sie an Dingen, die schwer oder gar nicht zu erlangen sind. Dies bezieht sich auch auf die romantische Sphäre dieser Persönlichkeitstypen.
Die Willenssensorik kategorisiert und bewertet Menschen in einer Hierarchie und ist sich sehr gut darüber im Klaren, welche Kontrolle und welchen Einfluss sie über die Umgebung hat und sie ist verärgert, wenn diese Einschätzung nicht ihren eigenen Erwartungen entspricht. Ein Aspekt der Gewalt, Konfrontation, Dominanz oder Unterwerfung und eine Wahrnehmung von Stärke und Schwäche ist immer präsent in dieser Funktion, sei es durch direkte Handlungen oder nur der Reflektion. Dieser ständige Fokus auf die eigene Präsenz in der Realität führt für Menschen mit der extrovertierten Sensorik zu der Charakteristik, dass sie einem höheren Druck auf die Psyche ausgesetzt sind, sodass sie weitaus anfälliger für den Missbrauch von psychotropen Substanzen sind. Solche Menschen neigen stärker dazu, ihren Körper und ihre Erscheinung aktiv durch Operationen oder Drogen und Chemikalien zu verändern. Diese Funktion ist anfälliger für den Fokus auf Luxus, Einfluss, Extravaganz und Opulenz. Sie kann leicht von äußeren körperlichen Empfindungen abhängig werden und ist anfällig für alles, was eine Form von externer Aufregung erzeugt, wie zum Beispiel Glücksspiel und Extremsport sowie generell riskantes Verhalten. Sie ist schnell dazu bereit, Herausforderungen anzunehmen und die eigenen Fähigkeiten mit denen anderer Menschen zu vergleichen, besonders wenn sie herausgefordert wird. Die extrovertierte Sensorik unternimmt aktive Versuche, die Realität nach den eigenen Wünschen zu beeinflussen und wünscht sich, für Charakteristiken wie ihren Einfluss, ihre Schönheit, Intelligenz, ihr Aussehen usw. anerkannt zu werden. Sie ist interessiert an Objekten, die den eigenen Status zur Schau stellen können oder Zertifikate, die die Intelligenz oder Expertise andeuten. Diese Funktion gewinnt Ressourcen einfach, nutzt sie aber genauso schnell wieder.
Die Willenssensorik ist in der Lage, Gesundheitssignale des eigenen Körpers zu ignorieren oder zu unterdrücken, sodass mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, um ein Ziel zu erreichen. Dies ist wiederum mit dem Risiko potenziell schwerwiegender Verletzungen behaftet. Solch eine Wahrnehmung kann dazu führen, dass eine Person Krankheiten, Schmerzen oder Verletzungen ignoriert, unterdrückt oder bewusst in Kauf nimmt und dadurch langfristige Konsequenzen für die eigene Gesundheit entstehen. Körperlich gesehen strebt die Willenssensorik nach einem intensiven physischen Kontakt. Sie zeigt oft ein besonderes Interesse an Kampfsport und anderen Kontaktsportarten. Sie ist allerdings auch anfälliger für impulsive Instinkte, Triebe und Perversionen. Ebenso sind plötzlich auftretende Wutausbrüche ein ausgeprägtes Zeichen dieser Funktion, die in Verbindung mit der Zeitintuition zu Gewaltfantasien führen können. Menschen mit der extrovertierten Sensorik haben eine sehr große Kapazität für monotone Arbeiten, die mit Konzentration ausgeübt werden müssen. Se mag konkrete Ratschläge, die auf praktischen Lebenserfahrungen beruhen, und sie beurteilt eine Person danach, was sie in die Welt hinaus bringt.
Für die extrovertierte Sensorik ist ein direkter und lauter Kommunikationston typisch, oft mit deutlichen Befehlen und Kommandos, sowie eine Erziehung durch Disziplin und ein Bewusstsein für die Autorität der Personen in der Umgebung. Oft findet man solche Soziotypen bei der Polizei, der Justiz, dem Zoll und Militär, in Feldern, in denen es ausgeprägte Rangordnungen gibt und eine diensthabende Person einen festgelegten Status hat, der respektiert wird. Die Willenssensorik ist darauf ausgelegt, einer Person zu sagen, was sie tun soll, und sie lernt und kommuniziert mit präzisen, konkreten Worten.
Es ist für mich klar, dass durch die Zeitintuition und Willenssensorik alle komplexen Strukturen in einer Gesellschaft erschaffen werden. Sie führen zu einer starken Überzeugung einer bestimmten Ideologie, die durch die Zeitintuition erschaffen wird (dabei ist es unabhängig, um welche es sich handelt), und zu konkreten Handlungen in der Welt durch die Willenssensorik. Allerdings ist dies auch mit der Unfähigkeit verbunden, seine Perspektive einfach wieder zu verändern, nachdem man sich einer Überzeugung verpflichtet hat. Für diese Menschen sind gemeinsame Ambitionen und Ziele im Leben sehr wichtig, um langfristige Beziehungen führen zu können. Gemeinsam durchgemachte Erlebnisse schweißen diese Menschen zusammen. Menschen, die einen schwachen Fokus auf die Willenssensorik haben, zeigen eine erhöhte Unaufmerksamkeit für ihre direkte Umgebung. Sie neigen nicht dazu, sich ernsthaft und fokussiert an ambitionierten Wettkämpfen zu beteiligen und sind generell selten in einer konzentrierten körperlichen Verfassung. Sie reflektieren auch wenig über die Position, die sie in der Gesellschaft haben, und sind schwach auf gefährliche Situationen eingestellt.
4. Die Empfindungssensorik, Si
Im Gegensatz zur extrovertierten Sensorik und dessen ausgeprägtem Fokus auf die externe Realität ist Si ein Fokus auf die inneren, subjektiven Prozesse des Körpers und die Empfindung von Komfort. Sie ist die Wahrnehmung der Welt durch den eigenen Körper. Diese Funktion nimmt allen voran Bequemlichkeit und Komfort in der Umgebung wahr und ist mit der Fähigkeit verbunden, den eigenen gesundheitlichen Zustand und die Gesundheit anderer Personen sowie die inneren Vorgänge des Körpers wahrzunehmen und zu interpretieren. Sie identifiziert eigene körperliche Probleme und sucht nach Verbesserungen und Linderung. Die Empfindungssensorik mag es, sich um das körperliche Wohlbefinden und den Komfort ihrer Liebsten zu kümmern.
Si achtet auf das physische Unbehagen, das andere Menschen und sie selbst erfahren. Während die extrovertierte Sensorik objektive Empfindungen in der Welt wahrnimmt, konzentriert sich die introvertierte Sensorik auf subjektive innere Interpretationen der Sinne. Die Willenssensorik beschreibt ihre Empfindungen auf objektive Weise und strebt zu intensiveren Empfindungseindrücken, wie z.B. den Verzehr von sehr scharfen Speisen oder den Konsum großer Mengen von Substanzen. Si ist das subjektive Erleben der Qualität sensorischer Informationen. Die Funktion fokussiert sich auf einen körperlich angenehmen Umgang mit Personen und Objekten und teilt ihrer Umgebung häufig ihre eigenen Empfindungen mit, wie z.B. ihre Wahrnehmung von Temperaturen in einem Raum, oder dass Geräusche nicht unangenehm oder laut sein sollten, oder wie bequem Sitz- oder Liegemöbel sind. Die Empfindungssensorik findet es schwierig, unangenehme Sinneserfahrungen zu ertragen, wie verlängerten Kontakt mit schlechten Gerüchen. Sie achtet sehr auf Sauberkeit und Hygiene, das z.B. Nahrungsmittel nicht lange offen rumliegen sollten, oder dass man sich vernünftig und der Situation entsprechend kleiden sollte, oder dass Alltags- und Hausarbeiten zeitnah erledigt werden, um unangenehme Empfindungen zu vermeiden. Si strebt nach einer ordentlichen und unauffälligen körperlichen Erscheinung und sie vermeidet ein verwahrlostes Auftreten. Elitismus, wie zum Beispiel bei Lebensmitteln, Kleidern und Düften, findet man aber eher bei Menschen mit der Willenssensorik. Man kann dies zum Beispiel gut bei einer Modenschau beobachten, wo künstlerische Kleidungsstücke präsentiert werden, die optisch beeindrucken sollen, aber oft unbequem und im wirklichen Leben unpraktisch zu tragen sind, oder bei Besuchen in vornehmen Restaurants, in denen formelles Verhalten erwartet wird.
Si ist sich seiner eigenen physischen Gesundheitsreserven sehr bewusst. Diese Funktion ist geschickt darin, körperliche Verletzungen zu vermeiden und sich selbst nicht zu überanspruchen. Die Empfindungssensorik kann den eigenen Körper nicht über einen gewissen Grad hinaus belasten, da ein signifikanter Fokus auf die Vermeidung von Beschwerden und Unbehagen liegt. Sie vermeidet es daher, sich auf körperliche Konfrontationen einzulassen. Diese Funktion ist deutlich weniger konfrontativ als die extrovertierte Sensorik. Während die Willenssensorik auf das Erreichen bestimmter Ziele mit allen Mitteln fokussiert ist, geht es bei der Empfindungssensorik um einen angenehmen körperlichen Zustand und ein komfortables Zuhause, in dem man sich wohlfühlen kann. Sie ist die überwiegende Zeit in einem entspannten Geisteszustand und vermeidet es, in Extreme jeglicher Art zu fallen. Eine schwach ausgeprägte Empfindungssensorik führt zu einer Unfähigkeit, sich körperlich zu entspannen, oder die subjektiven Prozesse des Körpers beurteilen zu können. Solche Menschen sind innerlich rastlos und immer in Aktivitäten involviert. Sie können es schwierig finden, sich um Dinge des Alltags oder um die Sauberkeit ihres Zuhauses zu kümmern, oder lassen sich bei Krankheiten viel zu viel Zeit, bis sie zum Arzt gehen. Eine schwach entwickelte Empfindungssensorik kann in meinen Augen in bestimmten Fällen auch zu Mysophobie und Hypochondrie führen.
Die Empfindungssensorik hat einen deutlich geringeren Einfluss auf das globale menschliche Geschehen, da sie nicht danach strebt, komplexe, ambitionierte Herausforderungen zu überwinden, die größere Entbehrungen mit sich bringen. Solche Menschen bevorzugen eine angenehme und unscheinbare Existenz außerhalb des Rampenlichts und kümmern sich um praktische Alltagsprobleme des Lebens. Sie passen sich ihrer Umgebung an, anstatt sie aktiv zu beeinflussen.
Ethische Funktionen (Fe und Fi):
5. Die Emotionsethik, Fe
Dies ist die Fähigkeit, externe Emotionen und Stimmungen zu entwickeln und in anderen Menschen beurteilen zu können. Sie ist die Interpretation der Emotionen anderer Menschen anhand ihrer Gesichtsausdrücke und der Art, wie sie kommunizieren und ihrer Körpersprache, sowie eine Beherrschung und Kontrolle der eigenen Intonation, um die eigene Einstellung und Emotionen zum Ausdruck hervorzuheben oder zu fokussieren, um einen Diskursfluss zu regulieren. Die Emotionsethik hat keine Schwierigkeiten, sich in die emotionalen Zustände anderer hineinzuversetzen und Emotionen nachzuempfinden. Diese Funktion ist also auf andere Menschen emotional eingestellt. Fe generiert lebhafte Gesichtsausdrücke wie Freude, Euphorie, Begeisterung, Erregung, Angst, Wut, Verzweiflung usw. und ist geschickt darin, diese Emotionen auch in anderen hervorzubringen und wahrzunehmen.
Der Naturwissenschaftler Charles Darwin, meiner Einschätzung nach ein IEI, erforschte in seinem Werk “Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren”, wie Menschen und Tierarten diese externen Emotionen ausdrücken. Darwin argumentierte, dass viele dieser Ausdrucksformen evolutionär bedingt sind. Das Buch enthält zahlreiche Beobachtungen und Beschreibungen von Verhaltensweisen und Mimik bei verschiedenen Arten und bietet Einblicke in die biologischen Wurzeln menschlicher Emotionen und sozialer Interaktion. Für Darwin hatten Emotionen eine evolutionäre Geschichte, die über Kulturen und Arten hinweg beobachtet werden konnte – eine damals unpopuläre Ansicht. Soziotypen, die einen stärkeren Fokus auf die Emotionsethik haben, nehmen diese Charakteristiken detailliert wahr.
Die extrovertierte Ethik hat oft starke Sofortreaktionen auf Dinge, die um sie herum geschehen und wird stark durch die Emotionen der unmittelbaren Umgebung beeinflusst.
Die Stimmungen anderer Menschen können also einen großen Einfluss auf die eigene Stimmung des betroffenen Individuums haben. Viele Menschen mit ausgeprägter Emotionsethik können sich so stark in andere Menschen hineinversetzen, dass sie die Emotionen anderer wie ihre eigenen empfinden. In der Kommunikation richten sie ihren eigenen emotionalen Zustand nach den Emotionen des Gesprächspartners aus. Die extrovertierte Ethik ist, wie die anderen extrovertierten Elemente, nach außen auf Objekte gerichtet. Sie wird also stark von unmittelbaren Informationen beeinflusst und kann eine Vielzahl unterschiedlicher Gesichtsausdrücke in kurzer Zeit zeigen. Sie kann objektive, emotionale Signale sehr gut interpretieren und daraus ableiten, wie gut sich andere Menschen verstehen.
Der amerikanische Psychologe John Gottman (IEI) hat zum Beispiel verschiedene Kriterien und Methoden entwickelt, um Beziehungsdynamiken zu beschreiben. Er betont die Bedeutung emotionaler Intelligenz und dass Paare, die ihre eigenen Emotionen und die ihres Partners verstehen, eine größere Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Beziehung haben. Er definierte verschiedene problematische Verhaltensweisen, wie etwa fehlender Augenkontakt, verärgerte Gesichtsausdrücke oder mangelnder Körperkontakt, die auf Beziehungsprobleme hinweisen können. Andere problematische Punkte, die Gottman definiert hat, sind Sarkasmus und Verachtung, das Verdrehen der Augen, wenn der Partner etwas erzählt, Kritik und Anschuldigungen, sowie häufige externe Streitereien. Die Forschung von Gottman betont die Bedeutung der Aufmerksamkeit für solche Charakteristiken, um das Verständnis von Beziehungen zu vertiefen.
Da die Emotionsethik als Basisfunktion (Fe) mit einer unterdrückten Beziehungsethik (Fi) verbunden ist, fällt es solchen Menschen oft schwer, ihre eigenen inneren Wünsche und Verlangen zu definieren. Fe definiert sich häufig durch andere und hat ein Bewusstsein dafür, was andere Menschen von einem erwarten. Sie verspürt sporadische Gefühlsausbrüche. Diese Funktion singt und schreit zum Beispiel laut während Musikveranstaltungen, oder bricht in Jubelströmen bei Sportveranstaltungen aus. In der Kommunikation erwähnen diese Soziotypen nicht selten das Wort “wir”, um eine Gruppe mit einzubeziehen, und sie haben eine größere Betonung auf “uns”. Sie neigen also oft dazu, eine große Anzahl an Menschen als eine Gruppe zu sehen. Diese Funktion kann sich für fremde Menschen oder eine Gruppe opfern. Ich denke, der überwiegende Großteil der Menschen, die sich in der Öffentlichkeit präsentieren, haben einen Fokus auf die Emotionsethik. Sie beurteilen die Emotionen und Haltungen der Menschen anhand der Dynamik der Umgebung. In der Kommunikation spiegeln sich häufig ihren Gesprächspartner und stellen sich auf ihren emotionalen Zustand ein. Sie präsentieren sich also unterschiedlich, je nachdem, mit wem sie kommunizieren. Empfindet ein Gesprächspartner Freude oder Trauer, spiegelt Fe diese Emotionen zurück, um Empathie aufzubauen und die Gefühlslage des anderen besser zu verstehen, unabhängig davon, ob sie diese Emotionen selbst wirklich empfindet. Fe wird emotional in das Leben anderer Menschen investiert und sie weiß, wie man Menschen unterhält. Man kann solche Soziotypen also an einem wechselndem Verhalten zwischen dem privaten Leben und der Öffentlichkeit erkennen. Die extrovertierte Ethik macht sich auch öfter Sorgen darüber, wie sie von anderen gesehen und wahrgenommen wird.
Die Emotionsethik (Fe) ist sich sehr stark bewusst, welchen Einfluss Handlungen auf den emotionalen Zustand anderer Menschen haben. Die Beziehungsethik (Fi) ist dagegen immer auf den eigenen Zustand fokussiert und daher auch deutlich weniger ausdrucksstark. Für Soziotypen mit der Emotionsethik als Basisfunktion ist ein ausgeprägtes Interesse an anderen Menschen typisch. Bei der Kommunikation machen sie sich wenig Gedanken darüber, in welcher Beziehung sie zu jemandem stehen. Sie identifizieren sich leicht mit fremden Menschen, unabhängig davon, welche Gemeinsamkeiten sie haben. Gleichzeitig werden sie aber auch stärker von Kritik und negativen Kommentaren fremder Menschen beeinflusst. Je nach den Geschehnissen in ihrer Umgebung können sich ihre Gefühlszustände in einer sehr kurzen Zeit fundamental ändern.
In der Kommunikation sind diese Soziotypen die gesprächigsten. Die Emotionsethik ist eine Beeinflussung des emotionalen und sozialen Raums durch eine ausdrucksstarke Kombination von Worten und Gesten. Sie haben eine sehr starke Wahrnehmung dafür, wie ihre Worte auf die Emotionen anderer Menschen wirken. Menschen mit dieser Funktion als Basisfunktion lieben es, soziale Zeit mit anderen Menschen zu verbringen, Verbindungen aufzubauen und ihre Emotionen mitzuteilen, eine Gemeinschaft aufzubauen, sich mit Fremden zu identifizieren. Sie wissen, wie man die Stimmung anderer Menschen durch Komplimente erhöhen kann und ihnen das Gefühl gibt, wertgeschätzt zu werden. Ihre Stärke ist es, Menschen in eine Gruppe einführen zu können. Personen mit einem hohen Fokus auf die Emotionsethik finden es im Allgemeinen schwierig, Zeit alleine zu verbringen und ohne soziale Kontakte durch das Leben zu gehen. Sie haben keinen neutralen, unpersönlichen Blick auf das Leben und es ist schwierig für sie, Situationen auf unemotionale Weise zu beurteilen. In einem aufgeregten Zustand kann diese Funktion auf emotionalen Spott wie z.B. Nachahmung zurückgreifen. Die Emotionsethik ist sich zudem bewusst, dass man gelegentlich provozieren muss, um die Menschen emotional zu aktivieren. So kann diese Funktion Dramen verursachen oder initiieren, um Menschen aufzuregen oder in Krisen zusammenzuschweißen. Ein schwacher Fokus auf die Emotionsethik führt zu expressionslosen Gesichstszügen, einer Unfähigkeit, sichtbare Emotionen fremder Menschen oder die Stimmung einer Gruppe zu lesen, oder selbst expressive Emotionsausdrücke zu zeigen. Ebenfalls kann sie zu einem Desinteresse an sozialen Interaktionen in Gruppen führen, oder einer Unfähigkeit, Menschen für bestimmte Dinge zu begeistern, sowie eine mangelnde Beherrschung der eigenen Intonation.
6. Die Beziehungsethik, Fi
Die introvertierte Ethik ist die Fähigkeit, Sympathien und Antipathien in anderen Menschen zu sehen, die nicht extern dargestellt werden. Sie beurteilt die subjektiven Verbindungen, die zwischen Menschen bestehen, und ist daher weitaus weniger ausdrucksstark als die Emotionsethik. Während Fe direkt sichtbare Signale auswertet, beurteilt Fi Dynamiken zwischen einer Beziehung (wie viel Zeit sich zum Beispiel eine Person für eine andere nimmt), und beurteilt so den Status der Beziehung, die sie zu einer anderen Person hat. Fi ist sich immer über den Status der eigenen Beziehung zu anderen Menschen bewusst und kann nicht durch gespielte Freundlichkeit getäuscht werden. Sie hat eine Wahrnehmung von Nähe und unausgesprochenen Grenzen, wenn es um Beziehungen geht, und ist sich daher immer bewusst, wem sie vertrauen kann und wem nicht. Diese Funktion strebt nach einer tiefen Verbundenheit mit wenigen ausgewählten Individuen. Für die Emotionsethik sind Gefühle extern sichtbar (ein breites Lächeln oder lautes Lachen, eine starke Umarmung usw.), für die Beziehungsethik sind allerdings tiefe innere Gefühle relevanter, die nicht durch externe Emotionen gezeigt werden müssen. Die Emotionsethik (Fe) braucht eine direkte Darstellung von Emotionen, so kann sie Fremde ausgiebig umarmen und mit ihnen feiern, während Fi einen viel größeren Fokus auf unausgesprochene Bindungen legt und daher keine externen Emotionsdarstellungen benötigt oder sogar ablehnt. Beide ethischen Funktionen sind sich allerdings der Auswirkung emotionaler Deprivation und Vernachlässigung sehr bewusst.
Fi ist Beziehungsmanagement; eine Reflektion darüber, welche Beziehungen bestehen und priorisiert werden sollten, welche Nähe vorhanden ist, wem man vertrauen kann und wem nicht. Sie ist eine tiefe persönliche Überzeugung und dadurch resultierende Authentizität, die moralische Beständigkeit und Entschlossenheit erzeugen kann, und eine ständige Analyse persönlicher Gefühle und Haltungen. Für diese Funktion sind die eigenen Überzeugungen und der eigene Individualismus weitaus wichtiger als die Emotionen und Erwartungen anderer Personen. Diese Funktion orientiert sich an sich selbst und nicht an einer Gruppe. Sie denkt weitaus weniger darüber nach, ob sie andere Menschen durch ihre eigenen Handlungen enttäuscht. Da die Beziehungsethik (Fi) alles aus der Perspektive eines rationalen Individualismus beurteilt und einen ausgeprägten Fokus auf die eigenen inneren Gefühle hat, kann sie sehr genau beurteilen, welchen Effekt Aussagen und Handlungen auf die inneren Gefühle anderer Menschen haben. Im Gegensatz dazu macht sich die Emotionsethik (Fe) viel mehr Gedanken über die Emotionen anderer Menschen, als auf die eigenen Gefühle zu achten, und kann daher viel stärker von anderen Menschen beeinflusst werden. In der sozialen Kommunikation ist die Beziehungsethik rücksichtsvoll und aufmerksam und strebt danach, andere Menschen nicht zu verletzen und ihre persönlichen Gefühle zu respektieren. Aus demselben Grund erwartet diese Funktion den gleichen Respekt von anderen. Sie hat eine ausgeprägte Wahrnehmung für unhöfliches Verhalten und achtet verstärkt auf Verhaltensnormen. Fi ist auch schwer enttäuscht, wenn andere Menschen ihr Vertrauen missbrauchen, oder klar definierte moralische Überzeugungen aufgeben. Die Emotionsethik kann dagegen selbst mit Menschen Zeit verbringen, für die sie eine Abneigung hat, solange der Kontakt nicht auf einer tieferen Ebene stattfindet.
Die Beziehungsethik empfindet Sympathie, Mitleid und Mitgefühl für kranke und schwache Menschen. Innerlich beurteilt diese Funktion die moralischen Aspekte anderer Menschen und analysiert das Geschehen anhand des eigenen subjektiven Wertesystems. Sie kann gut beurteilen, wie aufmerksam Menschen zueinander sind, oder ob sie sich hassen und verachten, da sie ein gutes Auge für die inneren Gefühle hat, die Menschen füreinander empfinden. Diese Funktion kann gut Geheimnisse behalten; ein Aspekt, der für Menschen mit der Emotionsethik deutlich schwieriger zu beachten ist. Eine weitere Charakteristik von Menschen, die einen Fokus auf Fi haben, ist, dass sich nicht im Namen anderer sprechen. Die Emotionsethik führt tendenziell zu einer größeren Anzahl oberflächlicher Bekannter, die Beziehungsethik konzentriert sich auf eine kleine Anzahl ausgewählter Freunde. Sie ist weitaus weniger demonstrativ und in meinen Augen daher so gut wie gar nicht unter Personen des öffentlichen Lebens vertreten. Soziotypen, die einen schwachen Fokus auf die Beziehungsethik haben, behandeln Fremde häufig wie Bekannte, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welcher Grad der Vertrautheit vorhanden ist. Ein weiterer Schwachpunkt kann eine schwankende Einstellung zu anderen sein, in denen Begeisterung für die Interaktion mit Fremden und Gleichgültigkeit mit der Familie, Freunden und dem Partner vorkommen kann, oder eine generelle Unfähigkeit, stabile und konfliktfreie Beziehungen zu führen. Sie kann auch zu einer schwachen Wahrnehmung dafür führen, wie die eigenen Worte die Innenwelt anderer Menschen beeinflussen, oder sie neigen dazu, eine geringe Rücksicht auf die inneren Gefühle anderer Menschen zu nehmen. Sie kann auch zu einer Unfähigkeit führen, den Status von Beziehungen richtig einzuschätzen.
Logische Funktionen (Te und Ti):
7. Die Handlungslogik, Te
Ich denke, diese Funktion beschäftigt sich vor allem mit zwei Hauptaspekten: dem Umgang mit Arbeit und den eigenen Finanzen bzw. Ressourcen. Te ist die Fähigkeit, ökonomisch zu handeln, ein ständiger Drang nach durchgehender Arbeit (häufig in technologischen Feldern und dem Management) und ein effektiver Umgang mit vorhandenen Ressourcen wie Geld. Die Handlungslogik ist ein bewertungsmäßiger, technischer und arbeitsamer Geisteszustand, der Ereignisse und Handlungen anderer Menschen aus pragmatischer Sicht direkt einschätzt und diese Bewertungen offen äußert. Sie hat eine hohe Kapazität für die unterbrechungsfreie Arbeit. Diese Funktion evaluiert und beurteilt den Fleiß (die objektiven Prozesse) anderer Menschen und ob sie sich vor der Arbeit drücken oder diese gut ausführen. Für Menschen mit der Handlungslogik ist es schwierig, einen längeren Zeitraum in Inaktivität zu verbringen. Sie müssen eigentlich ständig in produktiven und pragmatischen Unternehmungen involviert sein, um ihre Umgebung rational zu organisieren. Bei der Arbeit sind sie ständig beschäftigt und kümmern sich um jedes noch so kleine Problem. Menschen mit Te als ausgeprägte Funktion neigen nicht dazu, sich zu verschulden, da sie sich sehr stark ihrer verfügbaren Ressourcen und Finanzen bewusst sind und die Nützlichkeit von Objekten beurteilen können. Die Handlungslogik macht sich viele Gedanken über die Sinnhaftigkeit ihrer Einkäufe und sie mag es überhaupt nicht, anderen Menschen Geld zu schulden. Es ist konsumorientierter, konkreter und ungeduldiger Geisteszustand, der sich in meinen Augen mit dem effektiven Handel von Waren und Dienstleistungen auseinandersetzt und sich jeglicher Verbindlichkeiten im Klaren ist.
Die Handlungslogik ist sich sehr stark über die Reihenfolge verschiedener Prozesse bewusst, also über die notwendigen Schritte, Mechanismen, Richtlinien, Termine und Gesetze, die beachtet werden müssen, um ein pragmatisches Ziel zu erreichen. Sie beschäftigt sich sehr oft mit der Optimierung von Prozessen, wie man Arbeitsleistungen erhöhen kann. Die Denkweise der Handlungslogik verläuft Schritt für Schritt, Prozess für Prozess. Sie legt einen großen Wert auf Konzepte wie Eigenverantwortung. Die extrovertierte Logik ist sehr stark auf objektive, externe Objekte fokussiert, in diesem Sinne lernt sie viele Prozesse durch das Auswendiglernen von Informationen, ohne viel darüber zu reflektieren, warum bestimmte Strukturen existieren, oder ob sie überhaupt notwendig sind. Soziotypen mit der Handlungslogik spekulieren nicht über verschiedene Theorien, sie stellen wenige Hypothesen auf, sondern sie suchen nach konkretem Wissen für die spezifische Ausführung einer bestimmten Aktivität. Eine schwach ausgeprägte Handlungslogik führt zu einem Zustand, in dem man Geld und Ressourcen unbedacht ausgibt. Sie führt auch zu Anschaffungen, die aus Launen heraus getätigt werden, ohne den Nutzen vorher zu beurteilen. Man kann diese Charakteristik in meinen Augen oft bei berühmten Personen beobachten, die große Mengen Geld für irrationale Einkäufe ausgeben. Zudem kann es solchen Menschen schwer fallen, konkrete Termine auszumachen und einzuhalten. Sie kann auch zu einer Unfähigkeit führen, die eigene Produktivität zu bewerten und sich selbst aus einer unpersönlichen Perspektive zu beurteilen.
8. Die Strukturlogik, Ti
Die introvertierte Logik ist die Fähigkeit, widerspruchsfreie, theoretische Systeme aufbauen zu können. Ti ist ein unpersönlicher, analytischer Geisteszustand, stark geprägt von innerer Klarheit und Genauigkeit. Die Strukturlogik gibt einem Menschen ein Gefühl von Kohärenz, Ordnung und Richtigkeit auf verschiedenen Strukturebenen. Sie schaut auf komplexe Strukturen und reduziert sie auf das Nötigste. Unnötige oder irrelevante Prozesse und Handlungen werden mit der Strukturlogik eliminiert. Ti minimiert Prozesse und Interaktionen mit Objekten und Menschen so weit wie möglich. Diese Charakteristik macht sie zu einer sehr schweigsamen Funktion in der sozialen Kommunikation. Ich denke, die Strukturlogik ist für den Aufbau von wissenschaftlichen Theorien notwendig. Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird. Ti analysiert das Geschehen anhand des eigenen subjektiven Verständnisses. Wenn die Strukturlogik mit einem Thema konfrontiert wird, denkt sie unweigerlich über die Sinnhaftigkeit jedes Aspekts nach. Eine fundamentale Frage für Menschen mit der Strukturlogik ist das “Warum?”. Sie stellt Vermutungen und Hypothesen auf Basis von Beobachtungen auf und kann diese in wenigen Worten beschreiben. Es ist eine Funktion, die schwierig in einer Person zu beobachten ist. Sie zeichnet sich eher durch einen Mangel an Interaktion und Kommunikation aus. Eine schwach ausgeprägte Strukturlogik führt dazu, dass eine Person unstrukturiert durch das Leben geht und ständig Handlungen tätigt, die nicht notwendig sind. Sie besitzen ein schwaches Verständnis für die Beziehungen, die zwischen Strukturen bestehen und können Schwierigkeiten haben, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
Nachwort
Ich hoffe, diese Beschreibungen können den Lesern ein besseres Verständnis davon vermitteln, welche Aspekte die Soziotypen in meinen Augen ausmacht. Ich sehe die Soziotypen nicht als ein empirisch definierbares System, sondern eher als ein Spektrum an Stärken und Verhaltensweisen, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln können. Man muss hier auch beachten, dass Subtypen dies noch einmal stark beeinflussen können, da dominante und kreative Subtypen akzentuierte extrovertierte, und normalisierende und harmonisierende Subtypen akzentuierte introvertierte Funktionen haben können, unabhängig davon, welchen Soziotyp sie haben. Ich denke, die Forschung wird sich noch eine Weile mit Persönlichkeitstypen beschäftigen müssen, bevor eine wirklich verlässliche Struktur geschaffen werden kann. Ich bin persönlich nicht einmal wirklich überzeugt von dem Begriff der “Persönlichkeiten”, da ein Typ für mich eher zu einer tendenziellen Denkneigung führt, und keine festgelegten persönlichen Eigenschaften aufweist. Ich finde es dennoch interessant, dass meiner Beobachtung nach zum Beispiel Kinder oft den gleichen oder einen ähnlichen Typ wie ein Elternteil haben, es also schon einige genetische Komponenten zu geben scheint, aber bevor Soziotypen objektiv bestimmt werden können, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Ich bin mir ziemlich sicher, ich habe einige Aspekte jeder Funktion vergessen zu beschreiben, oder es war mir bisher noch nicht möglich, sie zuverlässig zu beobachten. Ein paar Aspekte, die ich hier genannt habe, wurden auch bereits von Viktor Gulenko erwähnt, aber da es wenige westliche Ressourcen zur Theorie gibt, ist es wahrscheinlich kein Problem, wenn sie in einer etwas anderen Form noch einmal erwähnt werden. Viele Punkte werden letztendlich auch auf viele Arten interpretiert werden. Ich hoffe, es wird in der Zukunft noch bessere Definitionen geben.
Berlin, 31.10.2023
Thomas Kanemeier
Dieser Artikel wurde im Zeitraum vom 01.07.2023 bis zum 31.10.2023 verfasst.