Der französische Forscher Didier Desor von der Universität Nancy veröffentlichte im Jahr 1994 seine wissenschaftliche Arbeit „Studie der sozialen Hierarchie von Ratten anhand von Experimenten mit Eintauchen in Wasser“. Im ersten Experiment wurde mit sechs weißen Laborratten experimentiert. Als die Zeit für die Fütterung gekommen war, wurden sie in eine Glasbox mit einem einzigen Ausgang gestellt. Dieser Ausgang war eine Tunneltreppe, die zum Boden eines Glastanks führte, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. An der Wand des Wassertanks wurde ein Futterbehälter angebracht, zu dem die Ratte, die aus dem Tunnel austrat, schwimmen und sich von dort einen Keks schnappen konnte. Um ihn zu fressen, musste das Tier jedoch auf die harte Oberfläche der Treppe zurückkehren.
Sehr schnell bildete sich unter den sechs Ratten eine klare Hierarchie. Zwei Ratten wurden zu „Ausbeutern“: Sie selbst schwammen nicht, sondern nahmen die Nahrung von drei ausgebeuteten Schwimmern auf. Die sechste Ratte entschied sich für eine Selbstversorgungsstrategie: Sie tauchte und verteidigte erfolgreich ihre Beute, während sie unabhängig blieb. Desor wiederholte sein Experiment mit verschiedenen Ratten, aber am Ende gab es die gleiche Rollenverteilung. Selbst wenn nur Ausbeuter, nur Sklaven oder nur Unabhängige in einer Gruppe vereint waren, kehrte ihre Gemeinschaft zu dieser Hierarchie zurück. Dies ist ein gutes Beispiel für den Mechanismus der Bildung funktionaler Typen – des DCNH-Systems.
– Die Ausbeuter stehen für Individuen eines dominanten Subtyps
– Die Sklaven – für Individuen des normalisierenden Subtyps
– Die Unabhängigen stehen für Individuen eines kreativen Subtyps
Als die Gruppe von Ratten vergrößert wurde, war das Ergebnis noch beeindruckender. Desor steckte zweihundert Ratten in einen Testkäfig. In der von ihnen gebildeten Gemeinschaft wurde ein komplexeres System der Unterwerfung gebildet. Die Ausbeuter wurden von ihren Sklaven mit Essen beliefert, die es den arbeitenden Schwimmern wegnahmen. Gleichzeitig bildete sich neben den „Unabhängigen“ eine Klasse von „Bettlern“: sie schwammen nicht und kämpften nicht, sondern aßen lediglich Krümel vom Boden. So wurde eine andere Kategorie herausgebildet
– Individuen eines harmonisierenden Subtyps.
Damals sorgte dieses Experiment für viel Aufsehen. Die Wissenschaftler kamen zu deprimierenden Schlussfolgerungen über die Unvermeidbarkeit der gesellschaftlichen Ungleichheit sowie über die Sinnlosigkeit von Revolutionen, die lediglich die alten Ausbeuter durch die Neuen ersetzen würden.
Hier ist meine Meinung dazu (Victor Gulenko): solche Verhältnisse herrschen lediglich in den zentralen Quadras (Beta und Gamma). Im Beta-Quadra gibt es eine direkte Ausbeutung (wie das Experiment von Dezor gezeigt hat), und im Gamma-Quadra ist diese Ausbeutung etwas subtiler und basiert auf Handelsbeziehungen und wirtschaftlichem Zwang – daraus entsteht eine gesellschaftliche Ungleichheit. Nur in den peripheren Alpha- und Delta-Quadras, in denen die Werte von Macht und Geld in den Hintergrund treten, setzt sich eine Kooperation durch.
Anmerkung von Thomas Kanemeier: Eine weitere Beschreibung dieses Experiments kann man unter diesem Link finden.